Heft 03 und 04 / 2025

Heft März und April 2025

"Blickpunkt Dienstleistung" Heft 03 und 04 / 25 - Inhalt

  • Warum überall Arbeitskräfte fehlen

  • Dr. Alexander Bissels Ergebnis der Sondierungsgespräche von Union und SPD – eine Bestandsaufnahme mit Blick auf das Ar- beitsrecht und die Zeitarbeit

  • Warum Arbeitnehmer gehen: Die Top 5 Kündigungsgründe

  • ManpowerGroup Arbeitsmarktbarometer für Q2/2025 Blockierte Wachstumsdynamik: Beschäftigungserwartung stagniert zum Frühjahr

  • IAB-Regionalprognose: Arbeitslosigkeit steigt 2025 in allen Bundesländern

  • Transformation: Reskilling-Potenzial nicht ausgeschöpft

  • Amadeus Fire Group bestätigt vorläufige Finanzkennzahlen 2024 und schlägt vor, eine Dividende in Höhe von EUR 4.03 an die Aktionäre auszuschütten

  • Trotz Krise halten Betriebe weiterhin stark an ihren Beschäftigten fest

  • Nach 35 Jahren in der Zeitarbeit: Antoni Iwan verabschiedet sich in den Ruhestand

  • Erwerbstätigkeit im Februar 2025 leicht gesunken

  • Von Nürnberg in die Welt – Hofmann Personal feiert 40jähriges Jubiläum

  • Dr. Alexander Bissels
    Der Koalitionsvertrag 2025 zur Zeitarbeit und zum Arbeitsrecht – mehr Rot denn Schwarz!

  • Sonderkündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen – nachträgliche Klagezulassung

Leseprobe

Dr. Alexander Bissels

Der Koalitionsvertrag 2025 zur Zeitarbeit und zum Arbeitsrecht – mehr Rot denn Schwarz!

Am 09.04.2025 wurde der Koalitionsvertrag von Union und SPD präsentiert. Dieser skizziert das politische Rahmenprogramm für die Pläne einer Schwarz-Roten- Koalition. Und was steht mit Blick auf die Zeitarbeit und das Arbeitsrecht nun Wesentliches in dem Dokument? Die entsprechenden Vorhaben werden nachfolgend kompakt für Sie zusammengefasst, eingeordnet und bewertet.

I. Zur Zeitarbeit

Schon nach den Sondierungen konnte man erahnen, dass die Arbeitnehmerüberlassung keine wesentliche Rolle in den Koalitionsverhandlungen spielen wird. Das Ergebnis, das nun Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat, ist als ernüchternd zu bezeichnen. Warum?

- Stichwort Fachkräftezuwanderung: Die Sicherung der Fachkräftebasis ist ein entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes. Deshalb ziehen wir alle Register, damit Fachkräftesicherung in den nächsten Jahren gelingt. […] Ergänzend braucht Deutschland qualifizierte Einwanderung. Die Demografie, gerade in den neuen Bundesländern, stellt den Arbeitsmarkt vor besonders große Herausforderungen. Gemeinsam mit den Ländern, Kommunen und den Sozialpartnern werden wir sachgerechte Instrumente zur Unterstützung schaffen.

Das Ergebnis enttäuscht. Kein Wort davon, dass die Zeitarbeit für ausländische Arbeits- und Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland geöffnet wird – eine entsprechende Forderung der Union in den Koalitionsverhandlungen, die sich im nicht geeinten Entwurf des Koalitionsvertrages wiedergefunden hat, hat dann doch nicht den Weg in die finale Fassung gefunden. Dies ist ernüchternd, bedeutet jedoch nicht, dass diese Frage in der laufenden Legislatur nicht doch wieder ein Thema werden wird. Davon ist auszugehen, allerdings hätte eine Manifestation dieser Absicht im Koalitionsvertrag einer entsprechenden Öffnung zumindest Rückenwind gegeben.

Viel wird nun davon abhängen, ob die SPD im Rahmen der anstehenden Gesetzesreformen über ihren Schatten springt und diejenigen „ranlässt“, die in der Vergangenheit schon immer wieder bewiesen haben, dass sie es können: im Ausland zu rekrutieren und entsprechende Fachkräfte im Inland in Lohn und Brot zu bringen. Dazu eignet sich die Zeitarbeit – dies ist unbestreitbar, nur scheinbar schwirren immer noch Vorbehalte im Kopf einiger Politiker, die die Arbeitnehmerüberlassung – völlig grundlos – als prekäre Arbeitsform bezeichnen. Hier gilt es nun, u.a. über den GVP, den Kurs fortzusetzen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Steter Tropfen höhlt den Stein – die Öffnung wird kommen. Es ist nur eine Frage der Zeit.

- Stichwort Gesundheitsberufe: Wir erwirken geeignete Maßnahmen zur Reduktion der Unterschiede zwischen Leiharbeitnehmern und der Stammbelegschaft. Mehrkosten zur Schaffung von Springerpools sowie entsprechende Vergütungen für das Personal werden ausgeglichen.

Die Aussagen zur Arbeitnehmerüberlassung, insbesondere mit Blick auf den Einsatz von Zeitarbeitnehmern in der Pflege, sind mehr als überraschend und nicht nachvollziehbar. Dem Kommentar von Florian Swyter (Hauptgeschäftsführer des GVP) ist nichts hinzuzufügen (abrufbar unter: https://personaldienstleister. de/koalitionsvertragein- bisschen-licht-aber-auch-reichlich- schatten/):

„Erstens ist die Ausnahmesituation der Corona-Pandemie längst vorüber. Zweitens ist die Quote der Zeitarbeit in der Pflege rückläufig und liegt nur noch bei 1,6 Prozent. Es handelt sich also nicht um ein Massenphänomen, das gesetzgeberische Eingriffe nötig machen würde. Drittens wäre es inakzeptabel, dass der Gesetzgeber bessere Arbeitsbedingungen, wie sie die Zeitarbeit z.B. bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bietet, untersagen will.“

Wie von Schwarz-Rot angekündigte „geeignete Maßnahmen“ aussehen sollen bzw. ausgestaltet werden könnten, verrät der Koalitionsvertrag nicht. Es dürfte – auch mit Blick auf verfassungsrechtliche Erwägungen – schwierig werden, Zeitarbeit im Gesundheitsbereich gesetzlich einzuschränken oder gar zu verbieten. Bei den Kunden könnte leichter angesetzt werden, insbesondere mit Blick auf eine Erstattung der Kosten für den Einsatz von Zeitarbeitnehmern. Eine „black box“. Fest steht aber, dass die Arbeitnehmerüberlassung im Gesundheitsbereich (erneut) auf dem Radar des Gesetzgebers erscheinen dürfte – grundsätzlich keine wirklich rosigen Aussichten, nachdem es in den letzten Jahren doch einigermaßen ruhig in diesem Bereich geblieben ist.

II. Zum Arbeitsrecht im Übrigen

Und welche Regelungen zum Arbeitsrecht haben es in den Koalitionsvertrag geschafft?

- Gute Löhne sind eine Voraussetzung für die Akzeptanz der Sozialen Marktwirtschaft. Der gesetzliche Mindestlohn ist dabei die Untergrenze. Wir stehen zum gesetzlichen Mindestlohn. Die Entwicklung des Mindestlohns muss einen Beitrag zu stärkerer Kaufkraft und einer stabilen Binnennachfrage in Deutschland leisten. An einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission halten wir fest. Für die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird sich die Mindestlohnkommission im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar.

Ein gesetzlicher Mindestlohn von 15,00 EUR ist ein Kernanliegen der SPD – immerhin: dieser soll nicht gesetzlich, sondern durch die Mindestlohnkommission festgelegt werden (so dürfte der Koalitionsvertrag zumindest zu verstehen sein), die sich dabei aber als Kriterium (auch) an 60% des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren soll. In diesem Sinne dürften die 15,00 EUR (fast) gesetzt sein – und damit verbunden der Druck, in Tarifverträgen den Lohnabstand zwischen bisherigen tariflichen Entgelten und dem gesetzlichen Mindestlohn "zu halten".

Dieser Aspekt ist insbesondere für die Zeitarbeit von erheblicher Bedeutung, deren tarifliches Entgeltgefüge (EG 1 mit 14,53 EUR seit dem 01.03.2025) bereits weit über dem gesetzlichen Mindestlohn (gegenwärtig: 12,83 EUR) liegt. Jüngst sind die Entgelttarifverträge von der DGB-Tarifgemeinschaft zum 30.09.2025 gekündigt worden. Die Gewerkschaften zeigen sich bereits kämpferisch. ver.di lässt wörtlich verlautbaren:

„Jetzt geht es darum, unsere berechtigten Forderungen für ein höheres Entgelt konkret zu machen. Dazu laufen die internen Abstimmungen in den acht DGB-Gewerkschaften an. […] Ab dann [Anm.: gemeint ist der 30.09.2025] müssen die Entgelte erhöht werden! Denn: Mieten steigen, Lebensmittel und vieles mehr werden immer teurer.“

Frage ist, wer das alles bezahlen soll? Dies gilt erst recht, wenn der gesetzliche Mindestlohn auf 15,00 EUR „hochgezogen“ wird. Für die DGB-Gewerkschaften sicherlich ein willkommener Anlass, dass der Schluck aus der tariflichen Pulle noch ein bisschen größer ausfallen dürfte.

- [Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der Frauen und Männer gleichberechtigt und respektvoll miteinander leben – im Beruf, in der Familie und in der Politik. Wir wollen gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Frauen und Männer bis 2030 verwirklichen. Dazu werden wir die EU-Transparenzrichtlinie bürokratiearm in nationales Recht umsetzen. Wir werden eine Kommission einsetzen, die bis Ende 2025 da-zu Vorschläge macht. Ein entsprechendes Gesetzgebungs- verfahren soll dann unverzüglich eingeleitet werden.

Die Gleichberechtigung ist gut und wichtig. Dies gilt auch bei der Vergütung und deren Höhe. Die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie ist ein wesentlicher Baustein zur Erreichung dieses Ziels. Wichtig ist, dass dies tatsächlich ohne erhebliche Bürokratie gelingt. Auf die Vorschläge von Schwarz- Rot darf man gespannt sein. Auch tarifliche Entgeltgefüge dürften dabei auf dem Prüfstand stehen. Diese dürften nicht privilegiert werden. Vor diesem Hintergrund kann sich die gesetzliche Umset-zung der Richtlinie auch auf Zeitarbeitsunternehmen auswirken, die das Tarifwerk BAP/DGB bzw. iGZ/DGB anwenden.

- Erhöhung der Tarifbindung durch ein Bundestariftreuegesetz.

Dies war absehbar: Vergaben von bis zu 50.000,00 EUR und bei Startups "mit innovativen Leistungen" (was immer das auch heißen mag!) innerhalb der ersten vier Jahre ab der Gründung von bis zu 100.000,00 EUR sind ausgenommen.

Diese Einschränkungen sind ein Achtungserfolg für die Union, die eine Erhöhung dieses Schwellenwertes auf 250.000,00 EUR verlangt hat, aber mehr auch nicht.

- Möglichkeit einer wöchentlichen statt einer werktäglichen Höchstarbeitszeit.

Ein richtiger Schritt, jedoch fragt sich, ob eine solche Änderung in der Praxis flächendeckend ankommen wird. Zur konkreten Ausgestaltung soll nämlich ein "Dialog mit den Sozialpartnern" durchgeführt werden. Dahinter dürfte sich die SPD-seitige Forderung nach einem Tarifvorbehalt verbergen, nur "schöner" verpackt. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber könnten dann keine Wochenhöchstarbeitszeit mit den Arbeitnehmern vereinbaren.

Für die Zeitarbeit mit einer hohen Tarifbindung hätte diese Änderung zunächst keine Auswirkungen. Ein „Switch“ von einer Tages- auf eine Wochenhöchstarbeitszeit ließe sich so oder so nur mit der DGB-Tarifgemeinschaft vereinbaren; dies gilt natürlich nur für Zeitarbeitsunternehmen, die das Tarifwerk BAP/DGB bzw. iGZ/DGB anwenden.

- Eine Pflicht zur elektronischen Erfassung von Arbeitszeit soll kommen.

Das ist wohl der Preis, den die Union an die SPD für die Wochenhöchstarbeitszeit zahlen musste.

Immerhin: für KMU sollen angemessene Übergangszeiten geschaffen werden. Eine Vertrauensarbeitszeit soll ohne Zeiterfassung möglich   […]

 



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