Dr.
Alexander Bissels und Dr. Jonas Singraven
Formunwirksamkeit
einer Kündigung durch den Zeitarbeitnehmer – und wie
Personaldienstleister darauf reagieren sollten!
Mit
dem „Problem“ der formgerechten Kündigung eines
Zeitarbeitnehmers sind auch immer wieder Personaldienstleister
konfrontiert. Häufig wird dabei in der Tat per E-Mail, per SMS
oder per WhatsApp oder – in der Praxis gar nicht selten –
überhaupt nicht gekündigt, sondern der Zeitarbeitnehmer
verabschiedet sich still und heimlich, indem dieser im Ergebnis
schlicht nicht mehr zur Arbeit erscheint. Dieses „Phänomen“
ist immer wieder (nicht nur, aber auch) bei Zeitarbeitnehmern zu
beobachten, die insbesondere aus dem Ausland rekrutiert und sodann
in Deutschland tätig werden. Zeitarbeitnehmer „verschwinden“
nach einem Urlaub in der Heimat aus dem Arbeitsverhältnis und
kehren nicht mehr zurück – für die Praxis kann das zu einer
(erheblichen) Herausforderung werden.
Das
LAG Rheinland-Pfalz hatte über die Wirksamkeit einer
arbeitgeberseitig ausgesprochenen, außerordentlichen Kündigung
wegen unentschuldigten Fehlens zu entscheiden. In diesem
Zusammenhang war insbesondere die Formwirksamkeit einer zeitlich
früher ausgesprochenen Eigenkündigung seitens des klagenden
Mitarbeiters zu prüfen, die lediglich über den Messenger- Dienst
WhatsApp an den Arbeitgeber übermittelt worden ist (Urt. v.
22.12.2022 – 5 Sa 408/21).
I.
Zusammenfassung der Entscheidung
Die
Beklagte erbringt Wach- und Sicherheitsdienstleistungen. Der
Kläger arbeitete bei dieser seit 2017 als Sicherheitsmitarbeiter.
Am 07.01.2021 erschien er nicht zur Arbeit im Pfortendienst bei
einer Kundin. Stattdessen schickte der Kläger dem
Geschäftsführer der Beklagten im Laufe des Tages mehrere
Nachrichten per WhatsApp. U.a. übermittelte er diesem per
WhatsApp das Foto einer handschriftlichen (Eigen-) Kündigung des
Arbeitsverhältnisses und erklärte ergänzend, dass er diese auch
noch schriftlich schicken werde. Das Original des fotografierten
Kündigungsschreibens übersandte der Kläger der Beklagten –
wider der Ankündigung – jedoch nicht. Am darauffolgenden Tag
bestätigte die Beklagte die Eigenkündigung gegenüber dem
Kläger schriftlich.
Am
11.01.2021 sendete der Kläger erneut eine Nachricht per Whats-
App an den Geschäftsführer der Beklagten, mit der er mitteilte,
dass seine Kündigung ein „Schnellschuss“ gewesen und „nicht
rechtskräftig“ sei sowie dass er künftig seine Arbeit wieder
aufnehmen werde. Der Kläger erschien vom 11.01.2021 bis zum
13.01.2021 nicht zum Dienst. Daraufhin kündigte die Beklagte das
Arbeitsverhältnis fristlos.
Das
LAG Rheinland-Pfalz entschied – wie bereits das ArbG Trier in
der Vorinstanz (Urteil vom 15.09.2021 – 5 Ca 46/21), dass die
per Whats- App übermittelte Eigenkündigung des Klägers vom
07.01.2021 nicht den Anforderungen nach §§ 623, 126 Abs. 1 BGB
entspreche. Die Kündigung sei daher gem. § 125 S. 1 BGB nichtig.
Diese genüge nicht der gesetzlich vorgegebenen Schriftform. Die
WhatsApp-Nachricht des Klägers gebe lediglich die Ablichtung der
Originalunterschrift wieder. Unter Abwesenden werde eine
Erklärung aber erst in dem Zeitpunkt wirksam (§ 130 Abs. 1 S. 1
BGB), in dem sie dem anderen Teil in der gesetzlich
vorgeschriebenen Form zugehe; der Zugang einer (...)
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